Viele Unternehmen ringen um qualifizierten Nachwuchs und beklagen die fehlende Ausbildungsreife der Absolventen allgemein bildender Schulen. In Schülerfirmen, Planspielen und zahlreichen Projekten versuchen Schüler darum, sich besser auf das Arbeitsleben vorzubereiten.

Um ihre Schüler fit für das Berufsleben zu machen, setzt sich Renate Vercrüße, Schulleiterin der Breitscheid- Hauptschule in Berlin, für Betriebsbesichtigungen, Praktika und Beratung zur beruflichen Orientierung ein. Damit ihre Schüler auch über ausreichende Kenntnisse in Mathematik und Deutsch verfügen und sich selbständig Wissen aneignen können, kooperiert sie mit einem Lerntherapeuten des Memory Instituts für prozessorientierte Lerntherapie. „Erfolgserlebnisse und der Kontakt zur Außenwelt machen den Schülern Mut“, berichtet Vercrüße, die sich mit schlechten Chancen von Hauptschülern nicht zufrieden gibt.

Praktische Erfahrungen zur Vorbereitung auf das Berufsleben bieten Schülerfirmen. Dabei werden Schüler zu aktiven Unternehmern, stellen marktfähige Produkte wie bedruckte T-Shirts oder Kochbücher her und verkaufen sie, oder bieten Dienstleistungen wie Gartenarbeiten oder Handy-Schulungen an. Die Schüler erproben wirtschaftliches Handeln und lernen ihre eigenen Stärken und Schwächen kennen – Erfahrungen, die sie auf die Arbeitswelt vorbereiten. Die Lehrer stehen ihnen dabei unterstützend zur Seite und behandeln die Konzeption der Geschäftsidee, Marktbeobachtung, Produktion und Vertrieb fächerübergreifend im Unterricht.

Genossenschaften-Projekt

Elf Schülerfirmen aus Niedersachsen beteiligten sich am bundesweit ersten Genossenschaften-Projekt. Michael Bockelmann, Vorstandsmitglied des Genossenschaftsverbands Norddeutschland (GVN), zog im Juni nach zwei Jahren Laufzeit ein positives Resümee: „Praktisches Lernen in einer genossenschaftlichen Schülerfirma ist ein unverzichtbarer Bestandteil der eigenen Vorbereitung auf die Zukunft“. Im Rahmen des Projektes wurden auch Lehrkräfte zu zertifizierten Beratern des GVN fortgebildet. Bei den Schülergenossenschaften geht es ebenso um wirtschaftliches Denken und strategisches Planen, aber nicht um das Erlernen von Gewinnmaximierung. Ziel ist die Förderung des Einzelnen. Das Besondere dabei ist, dass Schüler von Haupt-, Förder- und Gesamtschulen sowie von Gymnasien und berufsbildenden Schulen zusammenkommen.

Von der Deutschen UNESCO-Kommission wurden die Schülergenossenschaften im Juni als „Offizielles Projekt der Dekade der Vereinten Nationen zur Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet. Das Niedersächsische Kultusministerium plant bis 2012 weitere 50 Schülergenossenschaften.

Weitere Wirtschaftsprojekte an Schulen Unternehmerisches Wissen vermittelt auch der Deutsche Gründerpreis für Schüler, eine Initiative des Wirtschaftsministeriums und der Partner Stern, Sparkassen, ZDF und Porsche. Bei dem diesjährigen Existenzgründer-Planspiel beteiligten sich über 1 200 Schülerteams mit fiktiven Unternehmen. Auch „Junior“, das Projekt des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, macht Schüler zu Unternehmern. Im Schuljahr 2007/2008 wurden mehr als 6 200 Schüler zu Gründern.

Einem erfolgreichen Berufsstart von Hauptschülern widmet sich das Projekt der Stiftung der Deutschen Wirtschaft „Zeig, was du kannst!“. Dabei werden die Schüler durch außerschulische Seminare, Feriencamps und Trainings bei der Berufsorientierung unterstützt. Schulen, die ihre Schüler besonders gut auf das Berufsleben vorbereiten, werden bei dem bundesweiten Wettbewerb „Fit for Job“ ausgezeichnet. Seit fünf Jahren versuchen die Wirtschaftsjunioren, Schulen mit ihrem Wettbewerb zu motivieren und bieten ihnen Gelegenheit zum Austausch von Ideen und Erfahrungen. Zu den Unterstützern des Preises zählt auch der Ernst Klett Verlag.

Interesse der Schüler an Wirtschaft fördern Trotz der Vielzahl an erfolgreichen Projekten, Schülerfirmen und Planspielen und der Vermittlung ökonomischer Bildung in den Fächern Wirtschaft, Arbeitslehre oder Sozialwissenschaften scheint es um die wirtschaftlichen Kenntnisse vieler Schüler schlecht bestellt. Eine Studie im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Banken aus dem Jahr 2006, die Jugendliche zwischen 14 und 24 Jahren befragte, ergab, dass nur vier von zehn Jugendlichen wissen, was eine Inflationsrate ist und fast jeder zweite den Begriff der Sozialen Marktwirtschaft nicht erklären kann. Die Schulbuchverlage wirken dem entgegen, indem sie sowohl praxisnahe als auch den Hintergrund beleuchtende Lehrwerke zum Themenkomplex Wirtschaft zur Verfügung stellen. Dem sind allerdings durch die inhaltlichen und didaktischen Vorgaben der Kultusministerien Grenzen gesetzt. Dazu kommt, dass diese „Rahmenbedingungen“ sich sowohl regional als auch schulartenspezifisch stark unterscheiden.

Modelltheorien versus Praxisnähe

Michael-Burkhard Piorkowski, Professor für Haushaltsund Konsumökonomik an der Universität Bonn hält nichts von Modelltheorien des Wirtschaftssystems. Er fordert einen Wirtschaftsunterricht, der Schülern vermittelt, dass sie selbst, jeder Einzelne und jeder private Haushalt, Teil der Wirtschaft sind und nicht nur Unternehmen. So könnte mit Planspielen, die das Leben einer Stadt in den Unterricht transportieren, das Grundproblem der Ökonomie, die Verteilung von knappen Gütern und die Organisation von weitergehenden Angeboten behandelt werden.
Kompakt

In der Schule ist die ökonomische Bildung meist Inhalt unterschiedlicher Fächer. Besonders praxisnah lernen Schüler wirtschaftliches Wissen, wenn sie direkt beteiligt sind. Schülerfirmen, Planspiele und Existenzgründerprojekte liefern gute Beispiele.

Erstveröffentlichung: Klett Themendienst