Der deutsche Markt für Informationstechnik, Telekommunikation und digitale Consumer Electronics hat sich besser entwickelt als erwartet. Für das Jahr 2007 hat der Bundesverband BITKOM die Zahlen nach oben korrigiert. Der Markt ist demnach um 2 Prozent gewachsen, mit 1,3 Prozent hatte man gerechnet. Für das laufende Jahr 2008 kündigt der BITKOM einen Zuwachs um 1,6 Prozent auf 145,2 Milliarden Euro an, für 2009 wird ein Plus um 2 Prozent auf 148,1 Milliarden Euro erwartet. Die neuen Daten stellte BITKOM-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer anlässlich der Technologiemesse CeBIT in Hannover vor. „Nachfrage¬schübe kommen von gewerblichen Kunden, die massiv in ihre IT-Systeme investieren. Zusätzliches Geschäft bringen aber auch Privatverbraucher, die ganz offensichtlich von den vielfältigen Möglichkeiten innovativer Geräte fasziniert sind“, so Scheer. Wachstumstreiber seien Software, IT-Services, umweltfreundliche Geräte und Breitbanddienste.

Scheer stellte fest, dass trotz des Marktwachstums und grundsätzlich positiver Konjunkturaussichten Fertigungsbetriebe zunehmend aus Deutschland abziehen. Die Verlagerung des Handy-Werks von Bochum nach Rumänien sei lediglich Teil eines länger andauernden Trends. Scheer fürchtet weitere Schließungen und schlägt vor, diesem Trend mit einem Fünf-Punkte-Programm zu begegnen:

1. Klare Zielsetzung.
2. Ganzheitliche Forschungs- und Wirtschaftspolitik.
3. Investitionen in Bildung.
4. Gründungs- und Wachstumsstrategie.
5. Katalysatorrolle für den Staat.

Ziel müsse sein, innerhalb Europas die Nr. 1 im ITK-Sektor zu werden und weltweit unter die Top 5 zu kommen. Hierzu müssten die Forschungs- und Wirtschaftspolitik stärker miteinander verzahnt werden und die ITK-Branche aufgrund ihrer Querschnittsfunktion in den Mittelpunkt gerückt werden. Mittel sollten primär auf Technologien mit Hebelwirkung für andere Sektoren konzentriert werden. Scheer: „Nicht kleckern sondern klotzen muss die Losung sein.“ Die Reform des Bildungswesens als dritter Programmpunkt ist ein Dauerbrenner von BITKOM, stellt laut Scheer aber nach wie vor den Schlüssel zu vielen Problemlösungen dar. Darüber hinaus solle durch eine Gründungs- und Wachstumsstrategie sichergestellt werden, dass gute Ideen aus der Forschung in erfolgreiche Produkte umgesetzt und junge Unternehmen schnell international aufgestellt werden. „Wir brauchen Exzellenz-Cluster, die international wettbewerbsfähig sind“, so Scheer. Der Staat solle bei all dem eine Katalysatorrolle übernehmen, indem er durch moderne Beschaffungsprogramme gezielt technologische Innovationen anreizt.

Ein solches Programm sei ein Gemeinschaftsunternehmen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, Bund, Ländern und der EU. Vorbilder sieht Scheer in der Luftfahrtindustrie: „Die Luftfahrtindustrie war in Europa so gut wie abgeschrieben. Heute ist sie weltweit führend. Ein Airbus-Projekt für die europäische ITK-Industrie – das ist es, was ich mir seit Jahren wünsche.“

Informationstechnik
Innerhalb des ITK-Markts gibt es derzeit leichte Verschiebungen hin zur Informationstechnik und zu Consumer Electronics. Derzeit halten die Teilsegmente Informationstechnik und Telekommunikation einen Anteil von jeweils 46 Prozent, digitale Consumer Electronics stehen für 8 Prozent des Gesamtmarkts. Die Informationstechnik liegt aktuell an der Wachstumsspitze. Sie soll dieses Jahr um 4,6 Prozent auf 66,9 Milliarden Euro wachsen. Für 2009 kündigt BITKOM ein Plus um 4,4 Prozent auf knapp 70 Milliarden Euro an. Scheer: „Diese guten Daten sind insbesondere auf die gestiegene Nachfrage nach Software und IT-Dienstleistungen zurückzuführen.“ Software soll im laufenden Jahr um 5,3 Prozent auf 14,7 Milliarden Euro und im kommenden Jahr um glatt 5 Prozent auf 15,4 Milliarden Euro zulegen. IT-Services werden nach BITKOM-Berechnungen gar um 6,6 und 6,5 Prozent auf 32,8 Milliarden Euro in 2008 und 34,9 Milliarden Euro in 2009 wachsen. Auch die Computer-Hardware entwickelt sich nach einigen schwierigen Jahren wieder stabil.

Telekommunikation
In der Telekommunikation werden die Umsätze dieses Jahr mit 66,4 Milli¬arden Euro um 1,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegen. Im Jahr 2009 soll sich der Schrumpfungsprozess abschwächen. BITKOM erwartet dann eine rote Null (-0,5 Prozent) und ein Marktvolumen von 66,1 Milliarden Euro. „Nach mehreren Jahren des Umsatzrückgangs ist damit die Trendwende in Sicht“, so Scheer. Für die schwierige Marktsituation macht BITKOM vor allem den anhaltenden Preisverfall verantwortlich. Scheer: „Die Telekommunikation erlebt zwar einen echten Boom – aber so lange die Preise schneller fallen, als die Zahl verkaufter Telefoneinheiten steigt, schrumpft der Markt.“ Positiv entwickelt sich innerhalb des TK-Markts vor allem die Datenkommunikation. Dieses Segment wächst um 5 Prozent pro Jahr und fängt damit die Verluste in der Sprachtelefonie teilweise auf. 27 Prozent aller Gesprächsminuten ent¬fallen inzwischen auf das Handy.

Consumer Electronics
Ebenfalls erfreulich entwickelt sich die Nachfrage nach digitalen Consu¬mer Electro¬nics. Sie stehen inzwischen für mehr als 90 Prozent der gesamten Unterhaltungselektronik. Getrieben durch das hohe Interesse an Flachbildfernsehern hat dieser Teilmarkt in den Jahren 2005 und 2006 einen Rekordzuwachs von 33 bzw. 19 Prozent erreicht. Auch 2007 wurde mit 8,2 Prozent noch ein überdurchschnittliches Plus auf 11,6 Milliarden Euro erzielt. Eine Marktsättigung ist derzeit aber noch nicht festzustellen. Die digitale CE wächst weiter. Plus 2,4 Prozent auf 11,9 Milliarden Euro sollen es nach BITKOM-Angaben in 2008 und plus 2,1 Prozent auf 12,2 Milliarden Euro in 2009 werden. Neben Flachbildfernsehern sind es Spielkonsolen und Navigationsgeräte, die für Wachstum sorgen. Einen Zukunftsmarkt sieht BITKOM bei High-Definition-Geräten. Scheer: „Der Formatkrieg zwischen Blu-ray und HD-DVD ist beendet, die Verbraucher, Studios, Entwickler und Gerätehersteller haben jetzt Investitionssicherheit. Hier entsteht derzeit ein neuer, hoch dynamischer Markt.“ Für 2008 rechnet BITKOM mit einem Wachstum von mehr als 600 Prozent für Blu-ray-Abspielgeräte auf 87 Millionen Euro.

Green IT
Einen weiteren Investitionsschub erwartet der BITKOM durch umweltfreundliche und energiesparende Technologien. „Green IT ist ein Top-Thema der diesjährigen CeBIT“, so Scheer. Würde jede vierte Geschäftsreise in Europa durch Videokonferenzen ersetzt, sparte dies 28 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Scheer hofft, dass sich die Verbraucher diesen Argumenten öffnen und bei ihren Kaufentscheidungen Umweltargumente stärker berücksichtigen. Nach BITKOM-Angaben lässt sich damit sogar Geld sparen. Scheer: „Ein grünes, energieeffizientes Rechenzentrum kann sich in zwei Jahren allein über die Stromeinsparungen amortisieren.“

Arbeitsmarkt
Das Wachstum in der ITK-Wirtschaft wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus: Die Zahl der Erwerbstätigen ist 2007 nach BITKOM-Berechnungen um 3.000 auf 816.000 gestiegen, allein Softwarehäuser und IT-Dienstleister haben im vergangenen Jahr 17.000 zusätzliche Stellen geschaffen. „Damit ist es gelungen, die Abbaumaßnahmen in einigen großen Unternehmen mehr als auszugleichen“, freut sich Scheer. Insbesondere mittelständischen Unternehmen komme als Beschäftigungsmotor eine hohe Bedeutung zu.

Laut Scheer hätte der Stellenzuwachs höher ausfallen können, wenn offene Stellen schneller besetzt werden könnten. 43.000 freie Stellen für IT-Spezialisten gibt es nach BITKOM-Angaben derzeit in Deutschland. Davon entfallen 18.000 auf den ITK-Sektor und 25.000 auf Anwenderbranchen. Jedes vierte ITK-Unternehmen musste im vergangenen Jahr Aufträge ablehnen, weil es die notwendigen Mitarbeiter nicht finden konnte. Vor diesem Hintergrund forderte Scheer weitere Anstrengungen, um das Bildungssystem zu reformieren und junge Menschen für techni¬sche Studiengänge zu interessieren. Der verbliebene Fachkräftebedarf müsse durch eine aktive Zuwanderungspolitik und Standortwerbung im Ausland gedeckt werden. Vor diesem Hintergrund ist die CeBIT 2008 auch eine Jobmesse. Scheer: „Qualifizierte Mitarbeiter finden und binden – das ist neben Green IT das bestimmende Thema des Jahres 2008.“