Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat im vierten Quartal 2009 26 Verstöße gegen die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) in Fernseh-, und 14 Verstöße in Telemedienangeboten festgestellt. Im Rundfunkbereich arbeitet die KJM dabei mit den Landesmedienanstalten zusammen, die potenziell problematische Rundfunkangebote beobachten, prüfen und bewerten. Im Internet unterstützt jugendschutz.net die KJM bei der Aufsicht. So tritt jugendschutz.net bei der Annahme von Verstößen vorab an die Anbieter heran und fordert, entsprechende Inhalte freiwillig herauszunehmen. Auf diese Weise können viele Telemedien-Fälle ohne aufwändiges Verfahren geklärt werden. Erst bei Nichtabhilfe oder in besonders schweren Fällen schreitet die KJM ein. Indizierungen fallen in das Aufgabengebiet der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM).

Rundfunk

Ein Erotik-Werbeclip im Nachtprogramm von DSF zeigte pornografische Darstellungen. Das ist nach
§ 4 JMStV im frei empfangbaren Fernsehen unzulässig.

Alle weiteren von der KJM festgestellten Rundfunkverstöße bewegten sich im Bereich der Entwicklungsbeeinträchtigung (§ 5 JMStV). Solche Angebote dürfen verbreitet werden, solange die Anbieter – im Fernsehen mittels Zeitgrenzen und im Internet mittels technischer Mittel – dafür sorgen, dass sie Kinder und Jugendliche normalerweise nicht sehen können.

Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige (Sendezeitgrenze 22 bis 6 Uhr) verzeichnete die KJM in folgenden Fällen:

Eine Folge der im Hauptabendprogramm (ab 20 Uhr) auf Pro Sieben ausgestrahlten Serie „Cold Case – Kein Opfer ist je vergessen“ zeigte gewalthaltige, drastische und spekulative Bilder von erschossenen, schwer verletzten und stark blutenden Menschen sowie eine Vergewaltigung. Solche Szenen können jugendliche Zuschauer nachhaltig ängstigen. Zudem können sie dadurch in Bezug auf Gewalthandlungen desensibilisiert werden.

Je eine Programmankündigung (Trailer) für Spielfilme mit einer Freigabe der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) für Jugendliche ab 16 Jahren hatten Pro Sieben und Premiere (jetzt Sky) im Tagesprogramm platziert. Trailer mit Bewegtbildern für FSK-16-Filme unterliegen jedoch der gleichen Sendezeitbeschränkung wie der angekündigte Film selbst.

Bei acht Folgen von „Extrem schön! – Endlich ein neues Leben“ (RTL 2, Hauptabendpro-gramm) stellte die KJM einen Verstoß fest. Das Format zeigte ausschließlich positive Seiten rein ästhetisch motivierter Schönheitsoperationen. Die Wirkung so einseitiger Berichterstattung auf jugendliche Zuschauer, bei denen die Akzeptanz des eigenen Körpers zur Identitätsfindung gehört, ist kritisch zu sehen. Eine Entwicklungsbeeinträchtigung kann nicht ausgeschlossen werden, wenn Schönheits-OPs als einzige Lösung zur Steigerung des Selbstwertgefühls dargestellt werden.

Als Verstoß bewertete die KJM auch Folge acht des Reality-TV-Formats „Erwachsen auf Probe“ (RTL, Hauptabendprogramm). Diese Folge bestand hauptsächlich aus Szenen, in denen die jugendlichen Protagonisten 13- bis 16-jährige Teenager betreuen sollten. Die KJM sah in der Folge besonders zwei Punkte kritisch: Zum einen wurden, trotz des angeblich pädagogischen Anspruchs der Sendung, ein 15-Jähriger rauchend und – angedeutet – ein 13-Jähriger Bier trinkend vor der Kamera präsentiert, was einen Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz (JuSchG) darstellt. Zum anderen überschritten die betreuenden Jugendlichen immer wieder persönliche Grenzen der in ihrer Obhut befindlichen Jugendlichen in drastischer Weise. Dies kann auf jüngere Jugendliche desorientierend wirken, da sie noch nicht so konkrete Vorstellungen haben, wo persönliche, intime Grenzen verlaufen und wann diese überschritten sind.

In den beiden Prüffällen „Erwachsen auf Probe“ und „Extrem schön!“ konnte die KJM jedoch keine Maßnahmen ergreifen. Denn es war keine Überschreitung des Beurteilungsspielraumes der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) gegeben: Die FSF hatte mit ihrer Vorabprüfung der betreffenden Folgen zwar die formalen Vorschriften eingehalten, war aber zu einer anderen Bewertung als die KJM gekommen.

Eine Entwicklungsbeeinträchtigung für unter Zwölfjährige (Sendezeitgrenze 20 bis 6 Uhr) stellte die KJM in folgenden Fällen fest:

Fünf Trailer beinhalteten entwicklungsbeeinträchtigende Bilder für Kinder unter 12 Jahren: Dabei handelte es sich um drei Programmankündigungen für die Serie „Fringe“, um einen Trailer für die Serie „Lost – Konturen der Zukunft“ sowie um einen Trailer für die Serie „Die Tudors“. Alle genannten Programmankündigungen hatte ProSieben im Tagesprogramm ausgestrahlt.

Drei Spielfilme – „Novocaine“ (ANIXE, Tagesprogramm), „Die Masche der Männer“ (ANIXE, Tagesprogramm) und „Lost Heaven“ (Pro Sieben, Tagesprogramm) – stellten aufgrund von Gewaltdarstellungen und nicht altersgerechten Themen einen Verstoß dar.

Zwei Folgen von Reality-TV-Formaten wurden als Verstoß bewertet: An einer Folge von „We are family” (ProSieben, Tagesprogramm) kritisierte die KJM besonders die Aussage, das Geldverdienen durch Zurschaustellung des nackten Körpers sei Normalität. Eine „Big Brother“-Folge (VIVA, Tagesprogramm) zeigte zwei Frauen in einer Duschszene, wobei der Schnitt ausschließlich auf deren Brüste abstellte. Dadurch wurden die Frauen als bloße Objekte dargestellt, was vor allem in Bezug auf jüngere Zuschauer zu problematisieren ist.

Die Dokumentation „Auftrag Frieden – Die UN im Kongo“ (Discovery Geschichte, Tagesprogramm ohne Jugendschutz-Vorsperre) enthielt drastische Szenen mit Bildern getöteter und verstümmelter kleiner Mädchen. Diese können – vor allem auf Kinder und Jugendliche – schockierend wirken. In der Abwägung der Rechtsgüter der Rundfunk- und Informationsfreiheit einerseits und des Jugendschutzes andererseits war bei dieser Dokumentation zu einem politisch relevanten Thema dem Jugendschutz der Vorrang einzuräumen – zumal kein berechtigtes Interesse an gerade dieser Form der Darstellung gegeben war.

Der Musikvideoclip von Pink zu dem Titel „Please don’t leave me“ (MTV, Tagesprogramm) zeigt für unter Zwölfjährige nachhaltig ängstigend wirkende drastische Gewaltdarstellungen.

Ein Verstoß gegen den JMStV betraf den Jugendschutz in der Werbung (§ 6 JMStV): Ein Werbespot für einen „Mauli-Klingelton“ (RTL 2, Tagesprogramm) richtete sich nach Auffassung der KJM mit einem direkten Kaufappell an Kinder und Jugendliche, nutzte deren Unerfahrenheit aus und hielt sie dazu an, Kaufverträge für Dienstleistungen abzuschließen.

Telemedien

Die Jugendschutzrelevanz von Internet-Inhalten ist in der Regel ungleich höher als die von Fernsehsendungen. Weil Angebote im Netz zudem nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern meist über einen längeren Zeitraum online sind, berichtet die KJM über die Verstöße in Telemedien nur anonymisiert:

Zwei Angebote zeigen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Dies ist unzulässig.

Neun Verstöße im vierten Quartal 2009 bezogen sich auf Angebote, die einfache Pornografie beinhalten. In Telemedien darf einfache Pornografie nur ausnahmsweise innerhalb geschlossener Benutzergruppen zugänglich gemacht werden. Ist das nicht der Fall, liegt ein Verstoß gegen den JMStV vor.

Drei Angebote stellten aufgrund entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte einen Verstoß gegen die Bestimmungen des JMStV dar: In zwei Fällen handelt es sich dabei um einen Telemediendienst, der 24 Stunden über Astra unverschlüsselt ausgestrahlt wird. In dem dritten Fall werden außergewöhnliche Sexualpraktiken, die jüngere Kinder nicht einordnen können, gezeigt.

In 18 Fällen konnte das Verfahren eingestellt werden, da die jugendschutzrelevanten Inhalte nach der Intervention durch die KJM entfernt wurden.

Die KJM beschloss – je nach Art und Schwere der Verstöße – Beanstandungen, Untersagungen oder Bußgelder. Die entsprechenden Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führen die jeweils zuständigen Landesmedienanstalten durch.

In gut 60 Fällen beantragte die KJM im vierten Quartal 2009 die Indizierung eines Telemediums bei der BPjM. Die Anträge bezogen sich zum Großteil auf pornografische Internetangebote zumeist ausländischer Anbieter. In etwa 30 Fällen gab die KJM eine Stellungnahme zu Indizierungsanträgen anderer antragsberechtigter Stellen bei der BPjM ab, die von der BPjM maßgeblich zu berücksichtigen sind.

Damit hat sich die KJM seit ihrer Gründung im April 2003 mit rund 3.460 Fällen – 700 im Rundfunk und 2760 in Telemedien – befasst.

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