In ungewöhnlicher Eile und nahezu unbemerkt hat das Bundesjustizministerium über den Jahreswechsel einen Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren – kurz 2. Opferrechtsreformgesetz – durchgepeitscht. Seit Mittwoch, den 18. Februar liegt ein entsprechender Kabinettentwurf vor. Anders, als sein Name vermuten lässt, beschneidet dieser Entwurf die Rechte und legitimen Interessen der Opfer von Wirtschaftsstraftaten erheblich – insbesondere die, geschädigter Rechteinhaber aus Film- und Unterhaltungssoftware-Wirtschaft. Nach dem Referenten-Entwurf soll diesen die Möglichkeit abgeschnitten werden, sich dem Strafverfahren gegen Urheberrechtsstraftäter als Nebenkläger anzuschließen. Zur Begründung heißt es zunächst begrüßenswerterweise, die Rechte der Opfer von Gewalttaten sollen gestärkt werden. Ungewöhnlich dann nur die Folgerung: Damit werde die Nebenklagebefugnis von Urheberrechtsinhabern zu einem Fremdköper im Gesetz.

„Ausgerechnet im ‚Europäischen Jahr der Kreativität und Innovation’, in dem laut Bundesministerin Zypries das Recht des geistigen Eigentums aktiv fortentwickelt werden soll, wäre eine solche Entwicklung schwer erträglich“, kommentiert Dr. Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU), die beabsichtigten Änderungen. Denn gerade die Nebenklage ermöglicht de fakto oft erst die Sanktionierung krimineller Intensivtäter bei Urheberrechtsverletzungen.

Massive Zusatzbelastung bei Staatsanwälten
Die Täter an der Quelle der illegalen Verbreitungskaskade und diejenigen, die mit Raubkopien Geld verdienen, bauen regelmäßig hoch komplexe und eng ineinander verzahnte Strukturen auf. Dies gilt insbesondere für Raubkopien im Internet, die etwa 90 Prozent des illegalen Marktes ausmachen. So kommt es nicht selten vor, dass der Ersteller illegaler Kopien kein unmittelbares finanzielles Interesse verfolgt, jedoch ein Dritter sein Geschäftsmodell auf den bereitgestellten Raubkopien aufbaut. Zusätzlich wandelt sich die Arbeitsteilung der Täter ständig. Deren Beziehungen sind vielfach nur durch enormen personellen und zeitlichen Aufwand nachvollziehbar. Mit der beabsichtigten Abschaffung der Nebenklagebefugnis müssten diese Leistungen allein durch die Staatsanwälte erbracht werden.

Gesellschaftspolitisch falsches Signal
Infolgedessen käme es entweder zu einer beträchtlichen Mehrbelastung der Justiz oder aber zu einer erheblichen Verkürzung des strafrechtlichen Urheberrechtsschutzes. Beides benachteiligte nicht nur die geschädigten Rechteinhaber. Auch aus gesellschaftspolitischer Perspektive führte dies in die falsche Richtung, wie GVU-Geschäftsführer Leonardy erläutert: „Während Urheberrechtsverletzer am Ende der illegalen Verbreitungskette allein durch das Downloaden von unerlaubten Vorlagen auffallen, werden die großen Fische im Teich oftmals erst nach intensiver Recherche identifiziert. Diesen Tiefenblick kann die Justiz aber selten aus eigener Kraft aufbringen. Häufig machen erst die Nebenkläger das wahre Ausmaß der Taten sichtbar. Die Konsequenz der beabsichtigte Opferrechtsreform vor Gericht würde darin bestehen, dass – wenn überhaupt – nur die ‚Kleinen’ sanktioniert werden, die ‚Großen’ hingegen ungestraft davon kommen“.

Konträre Anstrengungen
Und so kommt es zu einer höchst widersprüchlichen Situation: Einerseits laden abwechselnd Bundesjustiz- und Wirtschaftsministerium die Rechteinhaber und Internet Service Provider zu Gesprächsrunden über Kooperationsmöglichkeiten bei der Pirateriebekämpfung, um den Schutz des geistigen Eigentums im Internet zu stärken. Andererseits wird aus demselben Justizministerium ganz leise das Strafprozessrecht um Verfahrensrechte der Urheberrechtsinhaber verkürzt, der Schutz des geistigen Eigentums folglich weiter geschwächt.