Wie kann und sollte man das wuchernde Geflecht der illegalen Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken eindämmen? Auf dem dritten Branchenforum „Prävention und Aufklärung“ am 3. November in Berlin stand diese Frage im Zentrum. Weit über hundert Teilnehmer aus Film-, Games-, Musik- und IT-Wirtschaft, politischen Institutionen, Verbänden, Staatsanwaltschaften und Datenschutzbehörden sowie Fachanwälte, Technik- und Technologie-Anbieter im Dienst des Urheberrechtsschutzes zählte die ganztägige Veranstaltung. Eingeladen von der deutschen Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU), dem österreichischen Verein für Anti-Piraterie (VAP) und der schweizerischen Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie (SAFE) führten die Gäste leidenschaftliche Debatten und intensive Gespräche. Informationen über aktuelle Ansätze zu Schutz und Stärkung von Urheberrechten erhielt das Fachpublikum von insgesamt 12 Ausstellern.

Der illegale Markt: Dezentralisierung und Technologiewechsel
Nach einer Begrüßung durch den GVU-Geschäftsführer, Dr. Matthias Leonardy, gab der GVU-Vorstandsvorsitzende Christian Sommer Einblicke in aktuelle Entwicklungen im illegalen Markt. Danach nimmt die Nutzung von P2P-Technologien im allgemein zugänglichen Internet weiterhin zu. Allerdings wächst der Verkehr durch die Nutzung anderer Anwendungen – insbesondere Direct Downloads und Streaming – für illegale Downloads wesentlich schneller und nimmt mittlerweile einen größeren Anteil am Gesamttraffic ein als der Datenverkehr via Tauschbörse. Der GVU-Vorstandsvorsitzende führt dies auf die Angst von Tauschbörsen-Nutzern vor zivilrechtlichen Abmahnungen zurück. Diesem Verfolgungsdruck werde durch die Nutzung von Direct Downloads und Streaming ausgewichen. Daher müsse gegen alle Verbreitungsformen mit der gleichen Intensität vorgegangen werden.

Digitale Hehler, also Raubkopierer, die Urheberrechtsverletzungen durch Internetnutzer steuern und organisieren, setzen laut Sommer zunehmend auf Dezentralisierung. So gehe der Trend bei der BitTorrent-Technologie auf dezentrale Netzwerke. Anbieter illegaler Streams stellten diese zunehmend über kleine, unbekannte Hosting-Provider zur Verfügung.

In der Konsequenz plädierte der GVU-Vorstandsvorsitzende für den weiteren Ausbau einer integrierten Strategie. Eindringlich wies Sommer auf die hiermit verbundene Verantwortung der Rechteinhaber hin. So müssen diese die Voraussetzungen für die Aufdeckung und Verfolgung von Urheberrechtsverletzern durch die Anti-Piraterie-Organisationen schaffen – etwa durch Einräumung entsprechender Vollmachten, zeitnahe und kontinuierliche Information sowie technische Maßnahmen. Es gelte, neue Instrumente gegen rechtlich nicht oder nur schwer greifbare Ziele zu entwickeln, wobei die Anti-Piraterie-Organisationen als Kompetenzzentren für die Kreativbranchen in Sachen Anti-Piraterie fungieren. Die Erkenntnisse dieser Organisationen können dabei auch als Basis für die Entwicklung legaler Geschäftsmodelle dienen.

Digitale Mentalität: Gratiskultur und Rechtsbewusstsein im Internet
Grundlagen für Geschäftsmodelle aus Sicht der Internetgesellschaft referierte Hergen Wöbken vom Institut für Strategieentwicklung im Anschluss. Dazu stellte er Ergebnisse der noch nicht veröffentlichten Studie „Digitale Mentalität“ vor. Auf Grundlage einer Umfrage unter 1.056 Webaktiven gab Wöbken Einblicke in den Umgang der Befragten mit dem Thema „Urheberrechtsverletzungen im Internet“.

Danach schätzen die Teilnehmer, dass 77 Prozent ihrer Freunde bereits urheberrechtlich geschütztes Material kopiert hätten. Nahezu 80 Prozent der Befragten besitzen illegale Musikkopien, gefolgt von Film (57,3%), Software (45,6%) und Games (36,4%). Während illegales Kopieren zum Zwecke des Gelderwerbs regelmäßig als verfolgungswürdig eingestuft wird, hegt der Großteil der Befragten keine oder nur geringe Bedenken gegen die kostenlose illegale Verwertung. Dementsprechend stört es sie, als Raubkopierer bezeichnet zu werden. Anti-Piraterie-Kampagnen sowie ein abgestuftes Verfahren mit den Stufen Aufklärung, Warnung, Sanktion treffen auf breite Ablehnung oder sogar Missachtung. Allerdings kennt sich kaum einer mit den Regeln des Urheberrechts zur Weitergabe aus. Ebenso wenige haben Angst vor Sanktionen. Einer so genannten Kulturflatrate stehen über 56 Prozent der befragten Webaktivisten eher ablehnend gegenüber. Was zählt sind Zugang und Flexibilität.

Die Podiumsdiskussion: Aufgabenverteilung und Handlungsverantwortung
Angeregt bis hitzig verlief die anschließende, knapp zweistündige Podiumsdiskussion unter dem Titel „(Selbst-)Justiz – Kooperationsmodelle – Flatrate: Ist der Kultur- und Kreativwirtschaft im Kampf gegen Internetpiraterie überhaupt noch zu helfen?“. Unter der brillanten Moderation von Gunnar Lott von IDG Entertainment drehte sich die Diskussion im Kern um die Frage, ob Kreativwirtschaften, Justiz, Polizei, Internet Service Provider (ISP) oder Politik durch eine Strategieänderung das Problem „Internetpiraterie“ für sich allein lösen könnten, oder ob die Aufgaben verteilt werden müssten. Vor allem die Kooperationsbereitschaft der ISPs wurde massiv eingefordert.

Neben den acht Panelisten Hergen Wöbken, Dr. Matthias Leonardy (GVU), Klaus Jansen (Bund Deutscher Kriminalbeamter), Thomas Köhler (Staatsanwaltschaft Mühlhausen), Max Wiedemann (Wiedemann & Berg Filmproduktion), Emanuel Meyer (eidg. Institut für Geistiges Eigentum), Lars Sobiraj (Gulli:News) und Oliver Süme (eco) ergriffen auch zahlreiche Publikumsgäste die Gelegenheit zum Argumenten- und Schlagabtausch.

Max Wiedemann forderte in klaren Worten die Zugangssperrung zu Seiten, wie kino.to. Die ISPs titulierte er als „Gatekeeper“ für digitale Hehler, die sich nicht untätig zurücklehnen, sondern endlich Verantwortung übernehmen sollten. Klaus Jansen forderte die ISPs auf, den „Arsch in der Hose zu haben, das Richtige zu tun“. Oliver Süme konterte, bei einer Sperrung handele es sich um einen „grundlegenden Eingriff“, für den es keinen Rechtsrahmen gebe. Solange die ISPs nicht dazu gezwungen würden, werden sie auch nichts dergleichen machen. Die Verantwortung für ein Vorgehen gegen Internetpiraterie sah er bei Polizei und Justiz. Jansen und Staatsanwalt Köhler bekannten sich ausdrücklich zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen. Hinsichtlich der illegalen Massenverbreitung müssten die ISPs jedoch etwa durch Datenspeicherung auch die Voraussetzungen für die Verfolgung schaffen. Lars Sobiraj sah das Problem vor allem in fehlenden attraktiven legalen Online-Angeboten durch die Kreativwirtschaften. Emanuel Meyer wies auf die Bedeutung von fehlender Medienkompetenz insbesondere bei Jugendlichen hin. GVU-Geschäftsführer Leonardy schließlich forderte von den ISPs Kooperation bei der Schaffung eines Verwarnungssystems gegenüber Internet-Raubkopierern ein. Man dürfe die Lösung des Problems „Online-Piraterie“ nicht nur wie eine heiße Kartoffel weiterreichen, die keiner zu lange in den Händen halten möchte.

Das Mediengespräch von RESPE©T COPYRIGHTS
Während das Gros der Besucher in der anschließenden Pause beim Essen ihren Gedankenaustausch fortsetzte, wurde parallel die Diskussion auch beim gleichzeitig stattfindenden Mediengespräch der Initiative RESPE©T COPYRIGHTS fortgeführt. Moderiert von Jan Oesterlin von der Zukunft Kino Marketing GmbH kamen auf dieser integrierten Veranstaltung Journalisten mit Max Wiedemann und Matthias Leonardy sowie, aus den Reihen der anwesenden technischen Dienstleister, Petur Agustsson von OpSec Security und Hendrik Schulze von Ipoque ins Gespräch.

„Männerherzen“-Produzent Wiedemann betonte abermals, dass einzig eine Bestrafung der Hehler und Sperrung ihrer illegalen Webangebote, nicht aber die Verfolgung jedes einzelnen Nutzers geeignet sei, der „Download-Plage“ Herr zu werden. Matthias Leonardy sah großes, bislang ungenutztes Potenzial in einer Verpflichtung der Provider, im Falle eines illegalen Downloads den entsprechenden Internetnutzer per Mail auf die Illegalität dieser Handlung hinzuweisen. Hendrik Schulze von der Firma Ipoque gab zu bedenken, dass Techniken zur Kontrolle unerwünschter Internet-Inhalte mit Zensur verwechselt werden könnten. Wie schon bei der Podiumsdiskussion offenbarten sich somit auch in diesem kleinen Kreis die unterschiedlichen Blickwinkel auf ein und denselben Sachverhalt und die damit verbundene Vielfalt möglicher und notwendiger Lösungsansätze.

Technische Ansätze und Kampagnenarbeit zum Urheberrechtsschutz
Ab 14 Uhr wandelte sich das Branchenforum für die meisten Teilnehmer von einer Fachtagung zu einer Fachmesse. Während sich die anwesenden rund 20 Staatsanwälte mit ausgesuchten, technischen Dienstleistern zu einem Fachgespräch unter Moderation der GVU im geschlossenen Teilnehmerkreis zurückzogen, gaben die 12 Aussteller Einblicke in ihre spezifischen Ansätze zur Stärkung des Urheberrechtsschutzes.

Kurzvorträge der Aussteller, beginnend mit den Präsentationen der Unternehmen Vedicis aus Frankreich und DtecNet aus Dänemark von zwei unterschiedlichen technischen Lösungsansätzen zur Umsetzung eines Graduated Response- bzw. Three Strikes-Systems, folgten im Plenum. Zum Vorgehen gegen Source Piracy stellte die 3 S GmbH ihr Mikrofarbpartikelsystem SECUTAG zur eindeutigen Identifizierung von Originalen vor. Sony DADC erläuterte seine Kopierschutz- und DRM-Systeme SecuROM und ARccOS. Civolution präsentierte Bandbreite und Einsatzmöglichkeiten seiner Watermarking- und Fingerprinting-Technologien.

Anschließend folgten mehrere Lösungen zur Eindämmung der illegalen Massenverbreitung. Neben der CoPeerRight Agency und OpSec Security stellten Ipoque, arvato digital services/mbargo und die Logistep AG ihre technischen Ansätze und Vorgehensweisen vor. Im Ausstellerbereich informierten zusätzlich CargoGuard und RESPE©T COPYRIGHTS über ihre Ansätze. Während CargoGuard sein Software-unterstütztes System zum sicheren Transport von beispielsweise Filmrollen oder optischen Datenträgern vorstellte, führten Vertreter der Initiative RESPE©T COPYRIGHTS in ihre erfolgreiche Kampagnenarbeit durch Gespräche und Beispiele ein.

Fazit: Gelungene Veranstaltung
Nachdem gegen 17 Uhr der formale Ablauf der Veranstaltung beendet war, klang das dritte Branchenforum bei einem Get-together in den Ausstellungsräumen langsam aus. „Spannend“, „wirklich gelungen“, „sehr interessante Einblicke“ – so lautete das Fazit vieler Teilnehmer.

Dazu GVU-Geschäftsführer, Dr. Matthias Leonardy: „Unser Ansatz, die unterschiedlichen Interessengruppen zum Urheberrechtsschutz auf einem Terrain zusammenzubringen, ist aufgegangen. Mit der Kombination von Ausstellung und teilweise kontroversem Austausch haben wir genau die richtige Mischung gefunden. Diese Richtung werden wir weiter ausbauen.“

VAP-Generalsekretär Dr. Werner Müller ergänzt: „Das DACH-Forum ist eine hervorragende Gelegenheit, Gemeinsamkeiten im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen zu formulieren, Standpunkte klar in die politische Diskussion einzubringen und das Bewusstsein für das Eigentumsrecht des Urhebers versus das ‚Menschenrecht‘ Internet zu stärken. Die DACH Märkte haben mehr gemeinsam als die Sprache und traditionell starke Marktverbindungen im Medienbereich. DACH kann vereint eine starke Urheberrechtsposition in einem weltanschaulich geführten Diskurs auf EU-Ebene einbringen und das in einem sachlichen, aber bewusst auch kontroversiellen Dialog mit anderen Gruppen“.

„Für die SAFE als Anti-Piraterie-Organisation in einem viersprachigen Land ist die Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg von zentraler Bedeutung“, betont Roger Chevallaz, Vorstandsmitglied der SAFE. Das DACH-Forum sei eine exzellente Möglichkeit, sich mit Teilnehmern aus Deutschland und Österreich auszutauschen und gemeinsame Positionen zu erarbeiten und zu vertreten, führt Chevallaz weiter aus und ergänzt: „Die Zeit für nationalstaatliche Regelungen im Urheberrecht scheint auszulaufen; in der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im deutschsprachigen Europa haben GVU, VAP und SAFE die Konsequenzen bereits gezogen.“