Im Ringen um die Durchsetzung des Urheberrechtsschutzes im Internet blicken die deutsche Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V. (GVU) und der österreichische Verein für Anti-Piraterie der Film- und Videobranche (VAP) auf wesentliche Erfolge in diesem Jahr zurück. Der VAP erreichte im Mai 2011 in einem Musterprozess eine einstweilige Verfügung gegen einen der größten österreichischen Access Provider, um durch Domain-Blockaden und Blockieren von IP-Adressen zu verhindern, dass dessen Kunden Zugang zu dem bekannten illegalen Portal kino.to erhalten. Die GVU initiierte mit einem Strafantrag vom 28. April 2011 das aktuelle Strafverfahren gegen die Betreiber des Systems Kino.to, welches am 8. Juni 2011 zur Abschaltung der Portalseite und der zugehörigen sechs Streamhoster führte. Aktuelle Analysen zeigen dennoch, dass die illegale Verwertung in diesem Pirateriesegment wieder stark zugenommen hat. GVU und VAP benennen Maßnahmen, die den digitalen Hehlern die Einnahmequellen für ihre parasitären Geschäftsmodelle entziehen können.

Entwicklung der illegalen Streaming-Portalsysteme
In ihrem anlässlich des 5. DACH Branchenforum veröffentlichten Jahresbericht 2010 stellt die GVU eine Konsolidierung und Professionalisierung im Segment der Streaming-Portalsysteme fest: Die Gesamtzahl der aktiven illegalen Streaming-Portale konnte seit 2008 kontinuierlich reduziert werden (insgesamt 19 aktive Portale Ende 2010). Das auf diesen Portalseiten befindliche Angebot an Links, die auf die einzelnen Raubkopien verweisen, ist jedoch von Jahr zu Jahr angewachsen. Gegenüber Ende 2009 hat sich Ende 2010 die Anzahl der Filmlinks sogar vervierfacht und betrug 515.164 solcher elektronischer Verweise.

Eine Anfang September 2011 vorgenommene Erhebung der GVU zeigt eine Zunahme bei den aktiven Streaming-Portalen auf 26 Seiten. Allein seit der Abschaltung von kino.to am 8. Juni gingen mindestens 14 neue Streaming-Portale online. Drei dieser Portale wurden bereits Anfang September wieder abgeschaltet, vier weitere am 6. November 2011. Anfang September 2011 lag die Zahl der Links zu Filmen auf den untersuchten aktiven Streaming-Portalen insgesamt bei 648.679 elektronischen Verweisen. Durchschnittlich beherbergten diese Seiten 2.165 Links weniger als Ende 2010.

Während vor allem die jüngeren illegalen Streaming-Portale häufig nur ein kleines Linkangebot und wenig Besucher verzeichnen, legten insbesondere drei Seiten seit Juli 2011 in beiden Bereichen kräftig zu. Von diesen waren zwei bereits vor dem 8. Juni 2011 aktiv. Eines konnte am 6. November vom Netz genommen werden. Das Angebot des anderen, seit Dezember 2008 aktiven Portals, wächst aktuell nach eigenen Angaben mit täglich bis zu 1.500 Filmlinks weiterhin erheblich. Zusätzlich offeriert die Seite auch Zugang zu TV-Serien sowie zu einer umfangreichen Sammlung pornografischer Inhalte. Nach Berechnungen des Serverdienstes „Alexa“, der die Popularität von Webseiten bewertet, rangiert diese illegale Seite aktuell auf Platz 60 der in Deutschland am häufigsten besuchten Internetseiten (14. Juni 2011: Platz 160; 29. August 2011: Platz 82). In Österreich liegt diese Seite sogar auf Platz 57. Damit ist dieses illegale Streaming-Portalsystem derzeit am populärsten.

„Das Kräftemessen zwischen etablierten Kräften, die sich auf Urheberrechte stützen, und jenen, die diese Rechte einfach ignorieren oder aushebeln wollen, ist derzeit in vollem Gang“, resümiert Dr. Nikolaus Kraft, Vertreter des VAP. „Als Vertreter jener, deren bestehende Rechte tagtäglich millionenfach ignoriert werden, fühlt man sich an einen Gedanken Bertolt Brechts erinnert: ‚Unrecht gewinnt oft Rechtscharakter einfach dadurch, dass es häufig vorkommt‘ Dagegen kämpfen wir an“.

Aufruf an Werbewirtschaft, Finanzierung kommerzieller Raubkopie-Angebote durch Online-Werbung zu ahnden
GVU-Geschäftsführer Dr. Matthias Leonardy kommentiert diese Entwicklung: „Seit Juni beobachten wir einen harten Wettkampf unter diesen digitalen Hehlern.“ Gekämpft werde um Nutzerzahlen, führt Leonardy aus, denn: „Diese parasitären Geschäftsmodelle verdienen mit jedem Nutzer Geld durch Werbeeinnahmen. Je mehr Nutzer eine Seite anlocken kann, desto mehr Seitenzugriffe können die Verantwortlichen dieser Syndikate vermarkten.“

So generiert beispielsweise das derzeit am stärksten frequentierte illegale Streaming-Portalsystem nach GVU-Erkenntnissen wiederkehrende Einnahmen aus Werbung sowohl auf der Portalseite als auch auf den Eingangsseiten der assoziierten Streamhoster, auf denen die Raubkopien liegen. Neben der Promotion von Sex-Chats, Sportwetten und anderen Online-Glücksspielen werden Abofallen, Zugangsanbieter zu Raubkopien im Usenet sowie aktuell ein namhafter Anbieter von Firewall-Systemen, ein großer Mobilfunkanbieter und diverse Browsergames beworben.

Dazu Leonardy: „Es ist schon unerträglich, dass wertvolle Medieninhalte der Kreativwirtschaft als „Lockmittel“ missbraucht wird, indem ihre Attraktivität ausgebeutet wird, um dubiose Online-Dienste zu vermarkten. Es ist aber zusätzlich ein Unding, dass dabei zum Teil namhafte Anbieter durch Bewerbung ihrer Produkte und Dienste als Financiers solcher Kriminellen wirken.“ Im eigenen Interesse seien sowohl die Werbewirtschaft als auch deren Auftraggeber daher aufgerufen, umgehend Mechanismen zu implementieren, die eine Platzierung von Werbemitteln auf den Seiten der digitalen Hehler unterbinden. Anderenfalls müsse gegebenenfalls strafrechtlich gegen solche schwarzen Schafe der Werbewirtschaft, die kommerziell betriebene Raubkopien-Angebote durch Online-Werbung finanzieren, vorgegangen werden.

Und der Vertreter des VAP Dr. Nikolaus Kraft ergänzt: „Tatsache ist, dass die massive Verbreitung von Raubkopien im Internet inzwischen größtenteils durch Werbeschaltungen finanziert wird. Die Werbewirtschaft nimmt bereits in spezifischen Fragen wie etwa der Werbung für Alkohol, Bildungsangelegenheiten oder für Lebensmittel eine markante ethische Positionierung vor. Dies spiegelt sich in den Selbstbestimmungskodizes der Werbewirtschaft wider. Deshalb wäre wünschenswert, wenn diese Kodizes so erweitert werden, dass keine Werbung in offenkundig rechtswidrigen Werbeumfeldern geschalten werden soll. Dies wäre mit Sicherheit ein Mittel, um die gewerbsmäßige Piraterie in einem „Lebensnerv“ zu treffen. Zugleich wäre es ein wichtiges Signal an die Öffentlichkeit.“

Nutzer von illegalen Angeboten fernhalten
Neben einem sanktionierten Verbot, Werbeverträge mit eindeutig rechtsverletzenden Seiten einzugehen, fordern die Rechteinhaber auch Maßnahmen, die Anwender von der Nutzung solcher illegalen Seiten abhalten. Denn, so Leonardy: „Je weniger Nutzer auf die Seite zugreifen, desto weniger Seitenzugriffe können die digitalen Hehler abrechnen. Hier ist verantwortungsbewusstes Handeln der legalen Internetwirtschaft und auch der Politik dringend nötig.“

Österreich: Vermittlung von Urheberrechtsverletzungen ausschlaggebend für Provider-Verantwortlichkeit
Der aktuell laufende österreichische Musterprozess zielt auf eine Stärkung der Verantwortlichkeit der Access Provider bei der Bekämpfung der missbräuchlichen Nutzung ihrer Dienste für Urheberrechtsverletzungen ab. Nachdem das Handelsgericht Wien im Mai 2011 die einstweilige Verfügung gegen einen österreichischen Provider erlassen hatte, war dieser gegen die Verfügung vorgegangen. Im Wesentlichen wandte der Access Provider ein, er sei nicht in der Lage, auf das Angebot von kino.to irgendwie Einfluss zu nehmen: DNS- und IP-Sperren seien leicht zu umgehen, ineffektiv und außerdem wären dem Provider Sperren nicht zumutbar, da das Einrichten solcher Maßnahmen mit einem gewaltigen Aufwand verbunden sei.

UPC hatte keinen Erfolg. Denn das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) entschied am 14. November 2011, dass die Ansprüche der Filmproduzenten berechtigt sind. Diese hängen „nicht von einem kausalen Beitrag“ von UPC „zu einer Rechtsverletzung des Nutzers oder des Anbieters ab“: „Ausschlaggebend ist lediglich, dass Inhalte, die der Öffentlichkeit – ohne Zustimmung des Rechteinhabers – gemäß § 18a UrhG zur Verfügung gestellt werden, durch den Provider vermittelt werden“, so das OLG Wien. Wie der Provider seine Verpflichtung umsetze, um für seine Kunden den Zugang zu illegalen Streaming Plattformen wie kino.to zu sperren, sei seine Sache, führte das Gericht weiter aus. Wenn unverhältnismäßige Maßnahmen erforderlich wären, müsse der Provider dies beweisen, um einer allenfalls über ihn verhängten Strafe zu entgehen (GZ 1 R 153/11v).

Deutschland: Technologieneutrale Regelungen und Warnhinweise gegen Nutzung illegaler Streaming-Portalsysteme gefordert
Für Deutschland sieht der GVU-Geschäftsführer einer entsprechenden höchstrichterlichen Klärung der Access-Provider-Pflichten entgegen, die bisher noch aussteht.

Daneben setzt er auf die Einführung einer technologieneutralen gesetzlichen Klarstellung, welche die Nutzung offensichtlich illegal erstellter und vertriebener Dateien mit Inhalten der Kreativwirtschaft auch dann als Urheberrechtsverstoß erfasst, wenn dafür kein vorhergehender vollständiger Download erforderlich ist. Denn es könne, so Leonardy weiter, erst Recht in Zeiten von Video-Streaming und der „Cloud“, nicht mehr auf das dauerhafte „Besitzen“ einer Mediendatei ankommen; entscheidend sei die sinnliche Rezeption, das Erleben bzw. der „Konsum“ des geschützten Werks. Jedem sei klar, dass die Erschleichung des Zutritts zu einer Theatervorstellung Unrecht sei. Dasselbe müsse für das Ansehen illegal verbreiteter Filme per Videostream gelten.

Dazu erneuert Leonardy seine Forderung, ein ebenfalls technologieunabhängiges Warnhinweismodell einzuführen. Dass ein solches Verfahren effektiv wäre, legen Ergebnisse der Studie zur digitalen Content-Nutzung 2011 nahe. Danach glauben 57 Prozent der Gesamtbevölkerung, dass Nutzer illegaler Angebote nach Erhalt eines Warnhinweises solche Angebote nicht mehr nutzen würden. Unter denjenigen, die am illegalen Filesharing teilnehmen, sind es sogar 81 Prozent.

„Dass man also den meisten Nutzern ohne allzu großen Aufwand juristischen Ärger ersparen und rechtliche Schritte auf beharrliche Rechtsverweigerer reduzieren kann, erkennt man mittlerweile zunehmend auch auf der politischen Ebene. Die Frage ist nur: Warum sperrt sich ein Teil der Politik und die ISP-Wirtschaft immer noch hiergegen?“ appelliert Leonardy an die Vernunft.