Safari-Training. Nicht ein sonderlich knallender Titel für eine Computeraufgabe, zumal sich virtuell ansonsten wildeste Mars-Welten erobern lassen. Doch Giraffe, Zebra, Kamel und Nashorn bergen in diesem Fall Verheissungsvolles in sich: Wird nämlich die richtige Reihenfolge und Lage, wie die vier Steppenbewohner auf dem Bildschirm zufällig auftauchen, schnell und korrekt wiedergegeben – auch dann, wenn die Reihen immer länger und anspruchsvoller werden – dann kann man auch einiges erobern. Nämlich ein ganzes Stück Intelligenz.

Und zwar Intelligenz, die nicht nur das bessere Safari-Tiere-Erinnern garantiert, sondern sich auch in anderen kognitiven Aufgaben ausbezahlt. Durch dieses Gehirnjogging auch in anderen Denk-Disziplinen brillieren? Es funktioniert tatsächlich. Psychologen der Universität Bern beweisen den so genannten Intelligenz-Transfer mittels Intelligenztests. Jetzt haben sie das Computerprogramm „Braintwister“ mit spezifischen Trainings – unter anderem der Tier-Safari – entwickelt.

Eselsbrücken machen nicht schlauer

„Braintwister“ zielt auf das Arbeitsgedächtnis ab. Dessen Funktion ist es, die Umwelt wahrzunehmen, Probleme zu lösen und sich neues Wissen anzueignen. Um die Leistungen dieses Speichers zu steigern, sind allerdings klare Bedingungen nötig, wie die Forscher herausgefunden haben. „Die Trainingsaufgaben müssen eine ständig hohe Konzentration erfordern, sie müssen so aufgebaut sein, dass sie nicht durch eine Merktechnik gelöst werden können“, erklärt Psychologe Walter Perrig, Leiter der Forschungsgruppe, in welcher Susanne Jäggi und Martin Buschkühl massgebend bei der Entwicklung des Gehirntrainings beteilgt sind. Das menschliche Hirn versuche nämlich, alles zu codieren, schaffe Eselsbrücken, wie Perrig an folgendem Beispiel erklärt: Um sich lange Zahlenreihen besser einprägen zu können, sucht das Gehirn Assoziationen, die als Erinnerungsanker dienen. So erhält die Zahl 11 oft das Attribut Fussballmannschaft, die 13 wird als Unglückszahl memoriert, die 6 lässt sich mit der Eselbrücke „Würfel“ erinnern. „Diese Mnemotechnik ist effektiv, um sich Reihen von Gegenständen oder Einkaufslisten leichter zu merken“, so Perrig. Aber besser in anderen kognitiven Aufgaben, also intelligenter, wird man dadurch nicht.

Und das wird trainiert

Umso verblüffender der Effekt von „Braintwister“: Tests mit Studierenden zeigen schon nach wenigen Trainingstagen gegenüber einer Kontrollgruppe eine Leistungssteigerung von rund 10 Prozent in Aufgaben, die man nicht trainiert hat. Ein Zehntel zusätzliche Intelligenz, anwendbar in den vielfältigsten Gebieten – wie ist das möglich? „Wir wissen es noch nicht mit Sicherheit“, gesteht Walter Perrig. „Die Fachwelt staunt über die Resultate.“ Weltweit gibt es bis auf eine verwandte Studie in Schweden keine vergleichbaren Untersuchungen.

Der Neuropsychologe geht davon aus, dass durch die fünf spezifischen Tests die wichtigsten Komponenten des Arbeitgedächtnisses trainiert werden: wahrnehmen, entscheiden, behalten, wiedergeben, koordinieren, Störfaktoren ausblenden, konzentrieren, sich anstrengen und Belastungen aushalten. „Unter dem Strich ergibt sich daraus schliesslich eine allgemein verbesserte Präsenz, die flexibel auf die vielseitigsten Erfordernisse des Lebens reagieren kann“, fasst Walter Perrig zusammen.
Mehr Intelligenz – vielseitig einsetzbar

Auf die Idee zu diesen Experimenten wurde die Forschergruppe durch eine andere Studie gebracht: Die Psychologen testeten gemeinsam mit Anatomen ein neuartiges Training für Seniorinnen und Senioren, welches das Risiko eines Sturzes senken sollte. Während die eine Gruppe der über 70-Jährigen am Ergometer dynamische Kraft- und Koordinationsübungen absolvierte, löste die zweite Gruppe nur kognitive Tests à la „Braintwister“ am Computer. Und siehe da: Nicht nur die körperlich Trainierten erwiesen sich als selbstsicherer beim Aufstehen. Die Probanden, welche lediglich Denkaufgaben gelöst hatten, trauten sich noch mehr zu und standen gar noch schneller auf als erste Gruppe. „In dieser Studie stellten wir den Intelligenz-Transfer auch bei Erinnerungsleistungen erstmals fest“, so Perrig: Intelligenz auf dem einen Gebiet erworben, auf einem anderen eingesetzt.

Das Phänomen wird nun intensiv erforscht: Testreihen mit Kindern, Studierenden, Seniorinnen folgen, ebenso neurowissenschaftliche Untersuchungen der Gehirnaktivierung. Bis die Wissenschaft mehr weiss, darf aber ruhig trainiert werden. Das Safari-Training gibt es – als fröhliche Abwechslung – auch in der Bauernhof-Variante.

Quelle: bildungskilck (Von Bettina Jakob)