Wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben, dann machen Sie doch einmal folgende Übung: Schreiben Sie alle Zahlen auf, die auf einer Zeitungsseite vorkommen, angefangen bei der Seitenzahl. Sortieren Sie sie nicht nach ihrer Größe, sondern danach, mit welcher Ziffer sie anfangen. Nehmen wir einmal an, das sind 30 Zahlen, dann sollte man erwarten, dass etwa drei von ihnen mit 1 anfangen, drei mit 2 und so weiter. Ich wette aber, dass Ihr Ergebnis ein anderes ist. Von 30 beliebig herausgegriffenen Zahlen, behaupte ich, beginnen etwa neun mit der Ziffer 1, sechs mit der Ziffer 2, aber nur zwei mit der Ziffer 9. Und – habe ich Recht?

In den meisten Fällen ist es tatsächlich so, dass die 1 als Anfangsziffer viel öfter vorkommt als die 9. Man kann das mathematisch genau beziffern, die Regel nennt sich „Benfords Gesetz“ nach dem amerikanischen Physiker Frank Benford, der sie 1938 aufgestellt hat. Eigentlich müsste sie aber „Newcombs Gesetz“ heißen, denn dem Mathematiker Simon Newcomb war schon 1881 aufgefallen, dass Logarithmentafeln, mit denen man vor der Erfindung des Computers rechnete, im vorderen Teil abgegriffener waren als im hinteren – vorne stehen die Zahlen mit kleinen Anfangsziffern.

Auf den ersten Blick erscheint das seltsam – sind nicht alle Zahlen irgendwie gleichberechtigt? Ein wenig plausibler wird das Gesetz, wenn man sich anschaut, wie sich zum Beispiel Geld auf einem Sparkonto vermehrt. Legt man 1000 Euro zum Zinssatz von 10 Prozent an (das ist nur ein Beispiel!), dann dauert es acht Jahre, bis das Vermögen die 2000-Euro-Marke erreicht, aber schon vier Jahre später sind es über 3000 Euro. Mit einer 9 beginnt die Zahl nur ein Jahr lang, bevor sich das Geld nach 25 Jahren verzehnfacht hat und der Betrag wieder mit 1 beginnt. Auf die Frage „Wie viel Geld haben Sie auf dem Konto?“ antwortet man im Verlauf dieser 25 Jahre überdurchschnittlich häufig mit einer Zahl, deren erste Ziffer die 1 ist.

Benfords Gesetz gilt für erstaunlich viele Zahlenbereiche, aber nicht für alle – die Lottozahlen zum Beispiel sind wirklich zufällig verteilt, die Zahlen zwischen 10 und 19 fallen nicht häufiger als die zwischen 40 und 49. Und die Regel ist mehr als eine mathematische Skurrilität: Man kann zum Beispiel mit ihrer Hilfe Bilanzfälscher entlarven. Wer sich nämlich Fantasiezahlen ausdenkt, der verteilt sie instinktiv möglichst gleichmäßig und eben nicht nach Benfords Gesetz. Ein Mathematiker hat einmal Bill Clintons Steuererklärung daraufhin untersucht – bis auf ein paar Auf- und Abrundungen war aber offenbar alles korrekt.

2008 ist das Jahr der Mathematik. Christoph Drösser, Wissenschaftsjournalist und Autor bei Klett („Der Mathematik-Verführer“), erklärt deshalb jeden Monat in seiner Kolumne auf bildungsklick.de mathematische Alltagsphänomene.