Mittelständische Unternehmen, gemeinnützige Organisationen und Verbände sehen aufgrund der derzeit geplanten datenschutzrechtlichen Änderungen dramatische Konsequenzen auf sich zukommen. Sie befürchten den Verlust von tausenden von Arbeitsplätzen, sorgen sich um zukünftige Spenden und erwarten „Kollateralschäden“ für die Markt- und Meinungsforschung.

Auf Initiative der Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG kamen am Donnerstag, den 22.1.09 in Berlin Vertreter von 250 mittelständischen Unternehmen, Verbänden und gemeinnützigen Organisationen zur 1. Berliner Datenschutzrunde zusammen, um gemeinsam mit zahlreichen Vertretern aus Politik und Verwaltung – darunter Sebastian Edathy MdB (SPD, Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages) und Ulrike Höfken MdB (Bündnis 90/Die Grünen, Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages) – über einen modernen Datenschutz zu diskutieren. Im Vordergrund der Debatte stand die von der Großen Koalition geplante Verschärfung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Spendenorganisationen und Unternehmen warnten die Politik vor übereilten Entscheidungen und den sich daraus ergebenden dramatischen Konsequenzen für ihr wirtschaftliches Handeln und zivilgesellschaftliches Engagement.

„Wir werden pro Jahr 15-20 Prozent unserer Kunden verlieren. 200 Arbeitsplätze in unserem Unternehmen sind bedroht, weitere bei unseren Dienstleistern durch weniger Aufträge“, sagte Günter Stallecker, Justiziar des Versandhändlers Robert Klingel. Alternative Werbewege zum adressierten Brief würden 20 Mio. Euro Zusatzkosten verursachen. Hierzu Verleger Alexander Holzmann: „50-70 Prozent unserer Abonnenten gewinnen wir durch adressierte Werbung. Wir versenden mehrere hunderttausend Werbebriefe, bekommen aber nur eine Handvoll Beschwerden. Das geplante Gesetz ist mittelstandsfeindlich.“ Christine Rust von SOS Kinderdorf e.V. befürchtet eine Schrumpfung ihrer Organisation in den nächsten 10 Jahren auf eine kleine Bürgerinitiative, da Neuspender wegfallen werden, der Verein aber existenziell auf diese angewiesen ist. Die geplante Ausnahmeregelung für gemeinnützige Organisationen werde nicht greifen – Alternativen zur adressierten Werbesendung gibt es aus ihrer Sicht nicht. Johannes Bausch vom Deutschen Fundraising Verband e.V. teilt diese Auffassung: „80 Prozent unserer Neuspender erreichen wir über Mailings. Auch wir werden schrumpfen und können in Zukunft statt 60 Cent nur 40 Cent pro Euro weitergeben“. Hartmut Scheffler, Geschäftsführer der TNS Infratest Holding, befürchtet „Kollateralschäden“ für die Markt- und Meinungsforschung. Eine qualitativ gute, objektive Marktforschung werde nicht mehr möglich sein – weder für die Politik und ihre Parteien, noch für die Medien. Der Vertreter des Berufsverbands der Datenschutzbeauftragten Deutschlands e.V., Roman Maczkowsky, betonte, dass die geplanten Änderungen Missbrauchsfälle wie die der letzten Monate in Zukunft nicht verhindern werden. Er vermisse im Gesetzesvorhaben eine Stärkung der Datenschutzbeauftragten und die Prämisse eines präventiven Ansatzes.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Deutschen Bundestag, Sebastian Edathy MdB (SPD) und die Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Ulrike Höfken MdB (Bündnis 90/Die Grünen), hingegen verteidigten die geplante Regelung, wonach Verbraucher ausdrücklich zustimmen müssen, wenn Firmen Daten ihrer Kunden weitergeben wollen. „Ich muss als Bürger das Recht haben, Werbung zu verhindern“, so Edathy. Ãœber die Parteigrenzen hinweg bestehe der Konsens, dass die Verbraucher die Souveränität über ihre Daten wieder erlangen müssten. Beide Politiker betonten jedoch auch ihre Dialogbereitschaft gegenüber den Unternehmen, Verbänden und gemeinnützigen Organisationen und luden diese zu konkreten Gesprächen ein.

Helmut Graf, Initiator der Veranstaltung und Vorstand der Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG, hob zum Schluss hervor: „Natürlich hat der Verbraucher das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Doch das „Wie“ macht mir Sorgen. Der vorliegende Gesetzentwurf vermengt Datenschutz, Verbraucherschutz und Geschäftskontakte zwischen Firmen und Kunden und bedroht somit unsere Existenz.“ Der einzige mögliche Ausweg sei ein Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie die gemeinsame Suche nach tragfähigen Alternativlösungen. Hierfür bildete die gestrige Veranstaltung einen gelungenen Auftakt.