Aggressive Computerspiele führen bei Kindern einer neuen Studie der Freien Universität Berlin zufolge nicht unbedingt zu Gewalt. Vielmehr sei es oft umgekehrt, dass aggressive Schüler entsprechende Spiele bevorzugten, sagte die FU-Erziehungswissenschaftlerin Astrid Kristen in einem dpa-Gespräch. Unter Federführung von Prof. Maria von Salisch arbeitet sie an Untersuchungen über das Verhalten von Kindern an Berliner Grundschulen, die in Kürze gemeinsam veröffentlicht werden. „Schüler und Schülerinnen suchen sich die Spiele aus, die zu ihrer Persönlichkeitsstruktur passen“, erläuterte Kristen.

Für die Studie wurden sechs Grundschulen in vier Berliner Bezirken unter Berücksichtigung verschiedener Sozialstrukturen ausgewählt: Rund 280 Kinder aus dritten und vierten sowie fünften und sechsten Klassen wurden im Jahresabstand nach ihren Lieblingscomputerspielen befragt sowie wann und wie oft sie damit spielten. Zuvor sollten sie sich selbst einschätzen, wie sie mit Ärger und Frust umgehen. Das offen aggressive Verhalten wie Schubsen, Treten, Schimpfen oder latent aggressives Intrigieren, Gerüchte-Streuen oder Ausschließen anderer wurde zudem von den Mitschülern und Lehrern der jeweils acht- bis 13-Jährigen bewertet.

„Die große Mehrheit der Kinder gab bei der ersten Befragung keine gewalthaltigen Spiele als Lieblingsspiele an, sondern bevorzugte Rollen-, Lern- oder Geschicklichkeitsspiele“, resümierte Kristen. Allerdings sei nach einem Jahr nicht nur die Gesamtzahl der Lieblingsspiele von 320 auf über 500 gestiegen, sondern darunter auch der Anteil sogenannter Egoshooter. Diese Spiele, zu denen auch das „Moorhuhn“ gehört, seien vor allen bei denen deutlich beliebter geworden, die schon zu Studienbeginn als tendenziell rüpelhaft aufgefallen waren.

„Jungen, die eher ein aggressives Verhalten an den Tag legten, tendierten über die Zeit eher dazu, sich mit gewalthaltigen Computerspielen zu beschäftigen. Mädchen hingegen, die eher zum Lügen und Intrigieren neigten, wählten über die Zeit eher Rollenspiele als Lieblingsspiele aus“, so Kristen. Die Ergebnisse seien in sämtlichen Schulen – also unabhängig von der Sozialstruktur – ähnlich gewesen.

„Bislang gab es zu diesem Thema weltweit kaum Untersuchungen, die sich mit Grundschülern beschäftigten“, sagte die FU- Wissenschaftlerin. Jetzt sei es wichtig, die weitere Entwicklung der Kinder in der Pubertät zu verfolgen. „Vieles deutet aber darauf hin, dass die simple Schlussfolgerung ‚Gewaltspiele machen gewalttätig‘ eindeutig zu kurz greift“, sagte Kristen. Vielmehr gehe es um ein komplexes Gefüge real erlebter und virtueller Gewalt – das gesamte Lebensumfeld müsse deshalb im Blick bleiben. (dpa) (heise.de)